Nachricht von Matthias W. Birkwald, 13. Dezember 2017
Die Rentenerhöhung zum 1. Juli 2018 um 3,0 Prozent im Westen und 3,2 Prozent im Osten wird nach Angaben des Bundesfinanzministeriums dazu führen, dass
- zusätzlich 54.000 Rentnerinnen und Rentner Einkommenssteuer zahlen müssen
- und nur durch die Rentenerhöhung Steuermehreinnahmen in Höhe von 300 Millionen Euro erzielt werden.
Insgesamt werden dann Angaben des BMF 4,4 Millionen Rentnerinnen und Rentner zum Einkommenssteueraufkommen beitragen1.
Seit der schrittweisen Einführung der sogenannten nachgelagerten Besteuerung ab dem Jahr 2005 hat sich damit die Zahl der steuerbelasteten Rentnerinnen und Rentner beinahe verdoppelt.
Konkret (Angaben für das Jahr 2016):
Gilt für Neurentnerinnen und Neurentner des Jahres 2005 noch die Faustregel, dass eine Monatsbruttorente bis 1.534 Euro steuerunbelastet bleibt, sofern keine anderen Einkünfte vorliegen, so sinkt diese Schwelle für Neurentner*innen des Jahres 2016 bereits auf 1.209 Euro2.
Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag erklärt dazu:
Es ist ein Skandal, dass wir jetzt den Punkt erreichen, an dem Renten unterhalb der Armutsschwelle (EU-SILC: 1050 Netto + 11 % Sozialabgaben = 1180 Euro brutto) besteuert werden.
DIE LINKE fordert deshalb in ihrem Steuerkonzept, dass der steuerfreie Grundfreibetrag auf 12 600 Euro im Jahr erhöht werden muss. Dadurch würden vor allem Rentner mit niedrigem Einkommen entlastet werden.
Außerdem fordert DIE LINKE von der nächsten Bundesregierung eine ehrliche Bilanz der nachgelagerten Besteuerung von Renten:
Erstens rufen viele Seniorinnen und Senioren bei mir an und fühlen sich im hohen Alter mit der Steuererklärung, die sie häufig erstmals machen müssen, überfordert. Wir brauchen schnelle, kostenlose und niedrigschwellige Hilfen für ältere Menschen und eine angemessene Personalausstattung in den Finanzämtern, damit hier eine sachgerechte Beratung stattfinden kann. Denn gerade bei den Älteren, die ausschließlich oder überwiegend von Renteneinkünften leben, muss die Mehrzahl derjenigen, die eine Steuerklärung abgeben muss, dann gar keine Steuern zahlen3.
Zweitens liegen mehrere Studien vor, die beweisen, dass es immer öfter zu einer doppelten Besteuerung von Renten kommen wird, da die Belastung der Rentenbesteuerung nicht der Entlastung für Berufstätige entspricht. Viele Expert*innen halten das für verfassungswidrig. Es darf nicht sein, dass die Bundesregierung – wie bisher – Gerichtsentscheidungen abwarten will, statt die Steuergesetze jetzt anzupassen.
Drittens müssen jetzt auch die Auswirkungen der zunehmenden Besteuerung auf das Leistungsziel der gesetzlichen Rente – das Rentenniveau – offengelegt werden. Bisher geht die Bundesregierung völlig unrealistisch davon aus, dass die steuerliche Entlastung von Rentenbeiträgen in der Erwerbsphase sofort in eine zusätzliche Altersvorsorge investiert wird. Umgekehrt gibt es kaum Untersuchungen darüber, wie sich die Nettorenten in Deutschland entwickeln. Das Rentenniveau wird immer noch vor Steuern angegeben. Hier brauchen wir endlich mehr Ehrlichkeit!
Hintergrund
Die Kehrseite der erfreulichen Rentenerhöhung im kommenden Jahr lautet: Immer mehr Rentnerinnen und Rentner rutschen in die Steuerpflicht und müssen dann auch eine Steuererklärung abgeben! Mit jedem Jahrgang wird für den Einzelnen oder die Einzelne der Anteil der steuerfreien Rente immer niedriger. Für den Rentenjahrgang 2005 blieben noch 50 Prozent der Rente steuerfrei. Im Jahr 2018 werden es nur noch 24 Prozent – also knapp ein Viertel – sein. Für jeden künftigen Renteneintrittsjahrgang wird der steuerfreie Anteil um weitere zwei Prozentpunkte und ab 2020 um je einen Prozentpunkt sinken.
Ab 2040 werden die gesetzlichen Renten dann komplett besteuert. Für den Einzelnen bedeutet das: Der jeweils geltende Freibetrag, der zum Rentenbeginn ermittelt wird, bleibt zwar bis zum Lebensende gleich, aber mit jeder Rentenerhöhung steigt der steuerpflichtige Teil der Rente in absoluten Beträgen.
Liegt man mit seiner Jahresbruttorente und nach Abzug der Werbungskostenpauschale (102 Euro) sowie des persönlichen Rentenfreibetrags über dem Grundfreibeitrag (2018: 9.000 €), muss man eine Steuerklärung machen. Wie hoch die steuerliche Belastung dann ausfallen wird, hängt natürlich davon ab, ob man noch über weitere Einkünfte verfügt und welche Ausgaben man zum Beispiel für Versicherungen, Vereins- oder Gewerkschaftsmitgliedschaften, bestimmte Krankheitskosten usw. absetzen kann.
1 Wobei zu beachten ist, dass ein zusammen veranlagtes Ehepaar als ein Steuerpflichtiger zählt.
2 Maximale Höhe einer steuerunbelasteten Jahresbruttorente im Jahr 2016 je nach Jahr des Rentenbeginns bzw. des Besteuerungunsanteils: Zieht man von den 1209 Euro brutto 11 Prozent Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ab, so bleibt eine Rente (netto vor Steuern) von weniger als 1076 Euro steuerfrei.
3 Datensammlung zu Steuerpolitik, siehe S. 41