„Eine grobe Ungerechtigkeit“, nennt Thomas Lutze, Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestags für die Fraktion DIE LINKE, den Bezahlzwang für die Toilettenutzung auf Bundesautobahnen und Bahnhöfen. Das bestehende Bon-System von Sanifair, quasi Toiletten-Monopolist an den Autobahnen, nennt er eine Frechheit. DIE LINKE setzt sich mit einem Antrag für die unentgeltliche Nutzung der WC-Anlagen ein. MEHR
- JAN KORTE: Stoppt das Geschäft mit dem Geschäft!
- ANTRAG: Unentgeltliche Nutzung der WC-Anlagen (PDF)
Toilettengebühr an Autobahnen und Bahnhöfen wieder abschaffen
Thomas Lutze, Mitglied im Verkehrsausschuss für die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Ende der 1990er Jahre legte die Privatisierung des zuvor bundeseigenen Raststättenbetreibers Tank & Rast den Grundstein für den Bezahlzwang bei der Toilettennutzung auf Autobahnraststätten. Das Unternehmen gründete 2003 die 100-prozentige Tank & Rast-Tochter Sanifair, die heute quasi Toiletten-Monopolist an den Autobahnen ist und eine Notdurftgebühr von 70 Cent erhebt. Dafür erhält der Toilettenbenutzer einen Coupon über 50 Cent, den man in den Verkaufsstellen des Mutterkonzerns einlösen kann. Das gleiche System wird auch in vielen Bahnhöfen angewandt, hier kostet der Gang zur Toilette häufig sogar einen Euro.
Gerade jetzt in der Urlaubssaison ist der Ärger über den Bezahlzwang an Autobahnen und Bahnhöfen besonders groß. Mit einem ANTRAG will DIE LINKE dieser Praxis einen Riegel vorschieben. Warum?
Thomas Lutze: Jeder von uns kennt das. Man ist unterwegs auf der Autobahn, früher oder später drückt die Blase und man steuert den nächsten Rastplatz an. Als nächstes steht man dann vor einer mannshohen eisernen Bezahlschranke, die sich nur gegen eine Ablassgebühr von 70 Cent überwinden lässt. Für manche Menschen ist das nichts weiter als ein lästiger Vorgang, für andere, die sich die Abgabe nicht leisten können oder gerade nicht genügend Bargeld dabei haben, bleibt als Alternative nur das Gebüsch auf dem Parkplatz. Im Alltag sind es häufig ältere Menschen und Familien, die der Bezahlzwang besonders hart trifft. Betrachtet man nur das Beispiel einer vierköpfigen Familie, die bei einer mehrstündigen Autofahrt in die Sommerferien dreimal eine Toilettenpause einlegt und dafür sage und schreibe fast 10 Euro blechen muss. Wir als LINKE sehen darin eine grobe Ungerechtigkeit, weshalb wir in unserem Antrag fordern, den Bezahlzwang an Bundesautobahnen und Bahnhöfen endlich abzuschaffen. Es wird höchste Zeit!“
Das menschlichste aller Bedürfnisse wird von Firmen wie Sanifair also regelrecht zur Ware?
So kann man das sagen. Sanifair betreibt rund 400 Sanitäranlagen in Deutschland, mit denen jährlich Umsätze in Millionenhöhe erwirtschaftet werden. Über die genauen Zahlen schweigt sich das Unternehmen allerdings aus. Zuletzt wurde bekannt, dass ungefähr 20 Prozent der Wert-Bons nie eingelöst werden. Damit schenkt man Sanifair bares Geld. Will man das nicht und zückt für sein zwangskonsumiertes Laugenbrötchen an der Kasse einen Wert-Bon, erfährt man an Bahnhöfen: Mindestumsatz 2,50 Euro! Und bitte nur ein Bon pro Person und pro Einkauf. Eine Frechheit, wenn man bedenkt, dass die 50 Cent indirekt auch wieder dem Dienstleistungskonzern Tank & Rast zugutekommen, weil dieser nicht nur die Toiletten, sondern auch einen Großteil der Restaurants und Kioske verpachtet. Da wäscht eine Hand die andere.
Welche Reaktionen hat es bisher auf den Antrag und das Vorhaben an sich gegeben?
Die Reaktionen sind überwiegend positiv. Viele Bürgerinnen und Bürger haben das „Geschäft mit dem Geschäft“ durchschaut und zahlen die Zwangsabgabe höchstens widerwillig und oft nur dann, wenn es keine Möglichkeit gibt, sein Geschäft verdeckt im Freien zu verrichten. Eine Abschaffung der Gebühr hätte daher auch den Vorteil, dass die Kommunen entlastet würden, die für die Umgebung der Bahnhöfe zuständig sind und die Länder, die für die Reinigung des Großteils der Autobahnparkplätze verantwortlich sind. Natürlich befürchtet der ein oder andere, dass mit der Abschaffung der Toilettengebühr die Qualität und Sauberkeit der Toiletten abnimmt. Das darf natürlich nicht passieren! Aber was im benachbarten Ausland und an deutschen Flughäfen und in Restaurants funktioniert, sollte auch an heimischen Autobahnen und Rastanlagen möglich sein. Regelmäßig kritisiert auch der ADAC die Toilettengebühr. Sie fordern, dass man zumindest die kompletten 70 Cent wieder als Bon zurückbekommt. Dass das bei dem Konzern nicht gut ankommt, ist klar. Das ginge nämlich zulasten der großen Gewinne.
linksfraktion.de, 2. August 2016