Reformation: Keine One-Man-Show


Vor 500 Jahren initiierte Martin Luther in Wittenberg mit seinen 95 Thesen die grundlegende Veränderung der Kirche und Europas. Und doch war es keine One-Man-Show, wie der Slogan »Luther2017« und die Bezeichnung »Lutherjubiläum« annehmen lassen. Auch andere haben einen wichtigen Beitrag zur Umgestaltung des europäischen Kulturraums geleistet. Zu ihnen gehören Johannes Calvin, Ulrich Zwingli, Andreas Bodenstein genannt Karlstadt und Thomas Müntzer. – Gedanken von Angelika Klein, Landrätin in Mansfeld-Südharz, und Elke Stolze, Reformationsbeauftragte des Landkreises Mansfeld-Südharz, für die Sonderausgabe des DISPUT zum Evangelischen Kirchentag im Mai 2017.

Für die Sonderausgabe des DISPUT zum Kirchentag schreiben Angelika Klein, Landrätin in Mansfeld-Südharz, und Elke Stolze, Reformationsbeauftragte des Landkreises Mansfeld-Südharz

Zeitgleich mit dem 36. Deutschen Evange­lischen Kirchentag in Berlin und Wittenberg finden sechs dezentrale »Kirchentage auf dem Weg« statt. Sie stehen unter der gemeinsamen Losung »Du siehst mich« und haben außerdem ein eigenes Motto. So werden Halle (Saale) und die Lutherstadt Eisleben – »Zwei Städte für ein Halleluja« – einem dieser Kirchentage auf dem Weg einen Rahmen geben.

Halle galt als Lieblingsresidenz der Magde­burger Erzbischöfe. Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, lebte in der Stadt und prägte ebenso ihr heutiges Stadtbild wie er den Ablasshandel förderte. Eisleben, im Land­kreis Mansfeld-Südharz gele­gen, ist ein biografischer Ort des Reformators Martin Luther. Hier wurde er 1483 geboren. St. Andreas war seine letzte Predigt­stätte. 1546 ist er hier gestorben. Beide – Albrecht von Brandenburg und Martin Luther – waren wichtige Akteure der Reformation.

Vor 500 Jahren initiierte Martin Luther in Wittenberg mit seinen 95 Thesen die grundlegende Veränderung der Kirche und Europas. Und doch war es keine One-Man-Show, wie der Slogan »Luther2017« und die Bezeichnung »Lutherjubiläum« annehmen lassen. Auch andere haben einen wichtigen Beitrag zur Umgestaltung des europäischen Kulturraums geleistet. Zu ihnen gehören Johannes Calvin, Ulrich Zwingli, Andreas Bodenstein genannt Karlstadt und Thomas Müntzer.

Martin Luther und Thomas Müntzer sind, wie die Orte Eisleben, Mansfeld, Stolberg und Allstedt zeigen, eng mit der Region und dem heutigen Landkreis Mansfeld-Südharz verbunden. Im ausgehenden 15. Jahrhundert führten neue Verfahren im Bergbau und Hüttenwesen zu einer wirtschaftlichen Blüte in der Region. Im Mansfelder Land lag eines der bedeutenden Montanreviere der Welt. Einer der Gründe, warum Hans und Margarethe Luder – die Eltern des Reforma­tors – hier sesshaft wurden.

Vor 500 Jahren war die Welt im Umbruch. Die Expansion des Osmanischen Reiches löste in Europa eine neue Bedrohungserfahrung aus. Der Buchdruck setzte eine Medienrevolution in Gang. Europa erlebte an der Schwelle des 16. Jahrhunderts einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung, der mit Bevölkerungswachstum, Nahrungsverknappung, Hungerkrisen und einer Konjunktur des Städtewesens einherging. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnete sich zunehmend. 

Die Menschen bewegte die Frage nach dem richtigen Glauben. Für ihr persönliches Seelenheil war es notwendig, sich zu positio­nieren. Diese Gewissensentscheidung erforderte ebenso Mut, konventionelle Grenzen zu überschreiten, wie sie zu eigenverantwortlichem Handeln und zur Zerstörung der Angst vor der Verdammnis beitrug. Unter Berufung auf Schrift und Gewissen beteiligten sich Frauen und Männer am reformatorischen Diskurs gegen die Hierarchie und Tradition der römischen Kirche und gegen gesellschaf­t­liche Missstände.

Die Theologen Martin Luther und Thomas Müntzer gaben Antworten, mobilisierten Men­schen im Sinne der christlichen Botschaft von Gerechtigkeit, Frieden und Erlösung für alle. Martin Luther stärkte die weltliche Obrigkeit und beförderte deren Lösen aus den Zwängen geistlicher Bevormundung, ohne die bestehenden Verhältnisse infrage zu stellen. Das zeigt sich unter anderem in seiner Haltung gegenüber den aufständischen Bauern. Thomas Müntzer hingegen unterstützte Versuche, die Lebensverhältnisse zu verändern. Er stellte sich an die Seite des »gemeinen Mannes«, der seinen Anspruch auf Teilhabe und Mitsprache in der Gewissheit der sola scriptura (Allein die Schrift), der Freiheit aller Christenmenschen und des Priestertums aller Gläubigen formulierte und darum kämpfte.