Im Wortlaut von Sabine Leidig, 20. Dezember 2017
Gerade um die Weihnachtszeit, aber nicht nur dann, sind Züge und Bahnhöfe voll und „Störungen im Betriebsablauf“ besonders ärgerlich. „Zugausfall wegen Schneefall“ – das hatten wir dieser Tage auch schon. Dazu völlig überfüllte Züge, Verspätungen, eiskalte Füße, verpasste Anschlüsse …
Warum läuft die Bahn nicht so rund, wie sie eigentlich könnte? Zum Beispiel, weil es zu wenig Reserven beim Personal und bei den Fahrzeugen gibt; weil die Gleisanlagen überaltert und störanfällig sind, weil Ausweichstrecken fehlen …
DB an sozialen Zielen statt am Bilanzgewinn ausrichten
Und warum ist das so? Weil die Bahn vor über 20 Jahren formal privatisiert wurde; weil der Konzern in 20 Unternehmen zergliedert ist, die teils in Konkurrenz zueinander stehen; weil die DB-Aktiengesellschaft vor 10 Jahren auf Börsenkurs getrimmt wurde: 7.000 km Gleise stillgelegt, 1.500 Bahnhöfe geschlossen, 40.000 Weichen entfernt, mehr als 100.000 Stellen abgebaut (über ein Drittel des Personals) – um Kosten zu sparen und den Profit potentieller Aktionäre zu erhöhen.
Dieser Plan ist gescheitert. Aber keiner der politisch Verantwortlichen (Bundestagsmehrheit, Verkehrsminister oder Kanzlerin) hat bisher wirklich den Kurs geändert. Das ist aber dringend nötig – und möglich!
Die DB (das größte öffentliche Unternehmen) muss endlich an sozialen und ökologischen Zielen ausgerichtet werden und nicht am Bilanzgewinn. Und anstatt – wie geplant – 55 Milliarden Euro in neue Autobahnen und Bundesstraßen zu stecken, kann die Bahn-Infrastruktur mit allen Kräften ausgebaut werden: mehr Nebenstrecken, mehr einladende Bahnhöfe, mehr Wartung und Instandhaltung.
Und: ein Management, das Erfahrung hat mit dem System Eisenbahn, bei dem es vor allem auf gute Zusammenarbeit aller Beteiligten ankommt. Banker, Juristen, Automobil- oder Flugverkehrsmanager sollten nicht an der Spitze stehen.
Mitbestimmung der Fährgäste und der Beschäftigten nötig
Außerdem sollen die Fahrgäste und die Beschäftigten mehr Einfluss auf die Entwicklung nehmen: Deren Erfahrungsschatz könnte in Bahn-Räte eingebracht werden, die mitentscheiden, wenn es um die konkreten Angebote, Investitionen und Verbesserungen geht.
Eine der krassesten Fehlentscheidungen der Spitzen von Regierung und DB-AG war das Großprojekt Stuttgart21: ein unterirdischer Bahnhof für voraussichtlich 10 Milliarden Euro, der die Kapazität für den Bahnverkehr verkleinern wird, längst unwirtschaftlich ist, mit hohen Baurisiken behaftet, noch längst nicht fertig und zu Recht noch immer umstritten. Zum Glück ist die Protestbewegung in Stuttgart noch am Leben und hat ein fachkundiges Konzept erarbeitet. Die bestehende Baugrube kann umgestaltet und mit dem renovierten Kopfbahnhof kombiniert werden (der ja immer noch steht und genutzt wird) – für mehr Gleise, mehr Komfort, bessere Umsteigemöglichkeiten, komfortable ÖPNV-Anbindung … und würde mit 5 Milliarden Euro auch deutlich weniger kosten (Umstieg 21).
Der Irrweg S21 wurde eingeschlagen, weil der Verkauf von Bahn-Immobilien die Bilanz der Aktiengesellschaft aufpolieren sollten, weil eine Shopping-Mall bedeutsamer schien als ein Bahnhof, weil gigantische Großprojekte manchen Männern Geld und Ruhm versprechen und weil (Tunnel-)Baukonzerne besonders viel daran verdienen. Mit diesem Unsinn kann noch immer Schluss gemacht werden. Der Ausstieg aus Stuttgart21 wäre ein hervorragender Einstieg in eine neue Eisenbahnpolitik: Bürgerbahn statt Börsenbahn – unser größter Wunsch.
Lesen Sie mehr zu unseren Vorstellungen, Konzepten und Forderungen in der Broschüre „Bahn für alle und alles“ (PDF). Veröffentlicht von der Bundestagfraktion DIE LINKE im Sommer 2017.