In der Staufer-Kaserne in Pfullendorf waren Rekruten über einen längeren Zeitraum im „Ausbildungszentrum Spezielle Operationen“ erniedrigenden Initiationsriten und sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Die Debatte über mögliche Konsequenzen aus diesen Vorfällen dauert an. Dazu erklärt Claudia Haydt, Bundestagskandidatin der LINKEN im Wahlkreis Bodensee (einschließlich Pfullendorf im Landkreis Sigmaringen) und Friedensforscherin:
„Wer will, dass solche menschenfeindlichen Praktiken zukünftig wirklich die Ausnahme sind, der muss die Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden und auf jeden Fall diese Eliteeinheiten auflösen. Einheiten wie das Kommando Spezialkräfte (KSK) sind für eine Verteidigungsarmee zudem nicht nötig.
Die Bundeswehr erklärt immer wieder gerne, dass sie ‚Staatsbürger in Uniform‘ ausbilden würde. Gleichzeitig ist die Bundeswehr seit über 20 Jahren eine Interventionsarmee, die global eingesetzt wird. Dabei spielen Spezialkräfte, wie sie in Pfullendorf ausgebildet werden eine zentrale Rolle. Die aktuellen Vorfälle könnten dabei durchaus nicht nur Einzelfälle sein, sondern ein strukturelles Problem.
Noch mehr als in den klassischen Bundeswehreinheiten geht es bei diesen Kräften darum, sie auf die Realität einer Krieges- und Besatzungsarmee vorzubereiten. Sie müssen auf die Überwindung von Todesangst, von Tötungshemmungen und auf Befehl und Gehorsam vorbereitet werden. Das alles sind Fähigkeiten, die im normalen gesellschaftlichen Alltag nicht nur unüblich, sondern zumeist geächtet sind. Die Einsatzrealität dieser Soldaten entspricht nicht unbedingt den Regeln einer demokratischen Gesellschaft.
In diesem Kontext können Initiationsriten, Macht- und Demütigungspraktiken und Korpsgeist in der Vorbereitung auf diese Einsatzrealität durchaus eine nützliche Funktion haben, selbst wenn solche widerwärtigen Praktiken zum Glück heute auch in der Bundeswehrausbildung nicht mehr legal sind. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Praktiken auch deswegen so lange toleriert wurden, weil zahlreiche Vorgesetzte aus ihrer eigenen Ausbildung mit ähnlichen Ritualen vertraut waren und deswegen ein Auge zugedrückt haben.
Selbstverständlich muss dieser aktuelle Vorfall vollständig aufgeklärt werden, dazu gehört auch die Frage, warum hier so lange geschwiegen wurde. Gespräche mit ehemaligen Soldaten bringen mich aber zu der Annahme, dass die Missstände nur die Spitze des Eisbergs sind.“