Artikel des „Haller Tagblatt“ vom 16.8.2017
Katja Kipping wirkt entspannt, als sie beim Redaktionsbesuch und bei ihrem Auftritt in der Innenstadt den politischen Willen der Linken deutlich macht.
Sie trägt eine rote Jacke, einen großen silberfarbenen Armreif und dunkle Jeans. Katja Kipping macht einen gelassenen Eindruck. Kein Wunder, sie kommt direkt aus dem Urlaub. Zum Gespräch bringt sie den hiesigen Kandidaten Kai Bock sowie Bernhard Strasdeit, den Landesgeschäftsführer der Baden-Württemberg-Linken, mit in die Redaktion. Die beiden begleiten sie auch bei ihrer Kundgebung am Haller Froschgraben.
Die Positionen linker Politik sind bekannt. Die Gesellschaft müsse gerechter werden. Eine bessere Verteilung der Arbeit, eine großzügigere Absicherung im Alter, ein bedingungsloses Grundeinkommen, höhere Chancen auf Bildung. Die Linke geht davon aus, dass sich dadurch die Angst vor Armut beseitigen ließe. Und sie betont die Bedeutung des Friedens in Zeiten zunehmender Krisen.
Geschickt gewählt
Der Haller Froschgraben: Lieferwagen fahren im Schritttempo vorbei, Passanten eilen in Richtung Innenstadt oder von dort ins Kocherquartier. Sie führen Hunde an der Leine, haben Eisbecher oder Einkaufstüten in der Hand, manche ihr Handy am Ohr. Zwei Polizisten stehen an der nahen Salinenstraße und beobachten die Szenerie mal mehr, mal weniger aufmerksam.
Der Platz scheint bewusst gewählt. An einen Veranstaltungsort wie Neubau-Saal oder Hospitalkirche wären an diesem hellen Montagnachmittag nur die bekennenden Parteianhänger gekommen. Doch hier, wo sich in Hall die alte und die neue Innenstadt treffen, bleiben auch Menschen stehen, deren Ziel nicht eine Wahlkampfveranstaltung der Linken ist.
Nicht der einfache Weg
Katja Kipping startet mit diesem Besuch in Hall die heiße Phase
ihres Wahlkampfs. Sie hätte es sich leichter machen können. In ihrer Heimat Sachsen oder in einem der anderen neuen
Bundesländer kann sie mit wesentlich mehr Zuspruch rechnen. Aber nein. Sie kommt dorthin, wo seit Jahrzehnten die CDU den Direktkandidaten stellt, wo ihre Partei bei der zurückliegenden Bundestagswahl nicht einmal fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte.
Vielleicht nimmt die Dresdnerin diesen Auftritt in der Fremde auch dazu, sich erst auf die heiße Wahlkampfphase einzustimmen.
Tatsächlich ist sie zunächst etwas zurückhaltend und leise. Aber sie hat ihre Hausaufgaben gemacht. „Im Landkreis Schwäbisch Hall leben 6000 Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind“, ruft sie den etwa 100 Zuhörern entgegen. Auch wenn es den meisten Menschen in der Region gut gehe, sei doch klar, dass das Armutsrisiko nicht an Kreisgrenzen Halt mache. „Niemand soll mehr Angst haben müssen, in Armut zu fallen“, so ein zentrales Anliegen der Linken.
Betonte Leichtigkeit
Beim Besuch in der Redaktion dieser Zeitung wirkt Katja Kipping souveräner als auf der Straße. Fragen, die darauf abzielen, die 39-Jährige aus der Reserve zu locken, beantwortet sie mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit, versäumt es aber nie, den politischen Aspekt, der ihr wichtig ist, anzufügen.